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Rezension Food Report 2024

 

„Strukturwandel des Essens“: Hanni Rützler über flexible Arbeitsmodelle, Nachhaltigkeit und technologische Innovationen

 

Der jährlich erscheinende Food Report von Hanni Rützler ist unverzichtbar für Gastronomie und Ernährungswirtschaft. Die Autorin analysiert jährlich den Wandel unserer Ess- und Ernährungskultur, fasst ihre Beobachtungen auf wesentliche Themenschwerpunkte und Kernaussagen zusammen und leitet daraus die Trends für die Zukunft ab. Denn der Wandel der Esskultur hat weitreichende Auswirkungen u. a. auf Produktentwicklung, Marketingstrategien oder Lieferketten-Management von Unternehmen in der Lebensmittelbranche – vom Hersteller bis zur Gastronomie.

In der aktuellen 11. Ausgabe legt Rützler den Fokus auf die Zukunft von Bio und darauf, wie der Klimawandel und die Moralisierung des Essens pflanzenbasierte Kost zur neuen „Leitsubstanz der Esskultur“ machen. Ferner zeigt sie auf, wie der Arbeitswelt-Wandel der nach der Pandemie unsere Essgewohnheiten und Mahlzeitenstrukturen verändert hat. Schließlich untersucht sie, wie sich der Einfluss neuer Technologien auf unseren Geschmack und die Möglichkeiten der Lebensmittelproduktion auswirken werden.

Mit anwendungsorientierten Statistiken, Infografiken, weltweiten Best Practice-Beispielen und Prognosen zum Ernährungsverhalten enthält auch der neue Food Report 2024 auch diesmal wieder wertvolle und praxisnahe Impulse für alle Entscheider*innen in der Food-Branche.

 

Was macht einen Trend aus? Sehnsucht und Wertewandel!

 

Food-Trends sind ständig im Fluss – technische Innovationen, soziale und kulturelle Impulse sorgen einerseits für permanente, dynamische Weiterentwicklungen und Veränderungen. Andererseits spiegeln sich hier nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch die Sehnsucht der Menschen nach neuen Geschmackserlebnissen, neuen Zutaten oder neuen Zubereitungsformen. Diese drei Trends hat Hanni Rützler für 2024 identifiziert:

 

Plants for Future


Wie der Klimawandel und die Moralisierung des Essens Pflanzenzur neuen Leitsubstanz der Esskultur machen.

Essen ist emotional. Im Essen manifestiert sich der Wandel ethischer und ökologischer Werte der Konsumierenden aktuell besonders deutlich. Die pflanzenbasierte Ernährung ist seit Jahren etabliert und wird vor allem von den jüngeren Generationen sowie Menschen mit einem wachsendes Klima- und Umweltbewusstsein angetrieben. Ihrem Werte- und Geschmackswandel entsprechend muss die Food-Branche immer wieder neue Angebote entwickeln, denn ihre Stimmen sind laut.

 

The New Job Normal


Wie der Wandel der Arbeitswelt unser Essen und die Mahlzeitenstrukturen verändert.

Lange war das Mittagessen ein fixer Punkt im Alltag – seit der Pandemie spielt Flexibilität die wichtigste Rolle: Gegessen wird wann, wie und wo es möglich ist. Snacks werden dabei zu Mini-Mahlzeiten, die Mitarbeitende vor Ort oder im Homeoffice unabhängig von Zeit und Ort zu sich nehmen möchten. Dieser neue Arbeitsalltag strukturiert die Essgewohnheiten. Mit großen Folgen und Herausforderungen für die Anbieter betriebsgastronomischer Leistungen: Hier neue und gleichzeitig wirtschaftliche Vertriebswege, Angebote und Produkte zu entwickeln, bleibt weiterhin eine anspruchsvolle Aufgabe.

 

The Green Taste of the Future


Wie neue Technologien unseren Geschmack verändern und einen Paradigmenwechsel in der Lebensmittelproduktion ermöglichen.

Während in den ersten Jahren die Vielfalt der Fleisch- und Fischersatzprodukte für vegetarisch oder vegan lebende Menschen im Vordergrund standen, konzentrieren sich Hersteller jetzt vor allem auf die sensorische Verbesserung ihrer Produkte: auf besseren Geschmack und kürzere Zutatenlisten. U. a. die 3-D-Technologie hilft ihnen dabei, nun ganze Fleischstücke wie „Filetspitzen“ (Beyond Food), „Hühnerbrüste“ (planted) oder „Flanksteaks“ (Redefine Meat) anzubieten, die den Originalen immer ähnlicher werden und überzeugen können. Auch hybride Produkte aus Pflanzen und einem geringen Fleischanteil sowie das sog. „Cultured Meat“ bzw. „Cultured Fish“ – hergestellt aus im Labor kultivierten Muskel-, Fett- und Stammzellen - sind auf dem Vormarsch, weil sie geschmacklich und sensorisch besonders nah an das Original heranreichen.

Neben diesen drei Trends beobachtet Rützler auch mächtige Gegentrends:
 

Gemüse als Gemüse genießen


Carneficionados und Vegourmets

Denn ganz im Gegensatz dazu verstehen sich die Carneficionados und Vegourmets: Sie meiden Fleisch aus standardisierter, industrieller Produktion ebenso wie Plant-based Food als Fleischersatz. Auf ihren Tellern wünschen sie sich originäre Speisen aus Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchten, Gewürzen und Kräutern völlig ohne Ersatzprodukte: das Tierische wird hier weder gewollt noch vermisst.

 

Female Connoisseurs


Frauen geben im Food- & Beverage-Business den Ton an

Anders als in anderen Bereichen sind Frauen in der Ernährungs-Branche zu den Veränderungstreiberinnen im Food Business und dadurch hier sehr sichtbar geworden. Die meisten neuen Küchen- und Restaurantkonzepte oder Start-ups wie Too Good To Go, Tipa und RESPECTfarms werden von Frauen entwickelt und geführt und sind auf Nachhaltigkeit, Qualität und Innovation fokussiert. Damit setzt sich der Trend seit 2018 in der Breite der Foodbranche fort.

 

Von Re-use Food über Zero Waste und Circular Food bis Regenerative Food


Nachhaltige Trendfusionen gegen Lebensmittelverschwendung

Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten Jahre im Windschatten der Klimakrise machen eine Zeitenwende dringend notwendig: Die Produktion von Nahrungsmitteln, die nicht konsumiert, sondern weggeschmissen werden, werden den Klimawandel beschleunigen, da sie zu unnötigen CO₂-Emissionen, Land- und Wasserverbrauch sowie zu Biodiversitätsverlust führt und sich folglich auch negativ auf die Wirtschaft(lichkeit) auswirkt. Hier ist - neben verbindlichen Vorgaben aus der Politik – jede*r Einzelne gefragt: Resteverwertung, das Nose-to-tail und Leaf-to-root-Prinzip oder nachhaltiges Einkaufen ohne unnötige Verpackungen sind wichtige Schritte. Noch einen Schritt weiter gehen die Anhänger von Circular Food: Hier geht es nicht um Müllvermeidung, im Gegenteil: Bestandteile von Zutaten wie Schalen, Kerne, Trester usw. werden (wieder) als wertvolle Ressource wahrgenommen und es entstehen immer mehr Ideen, wie man solche Reste zu neuen Lebensmitteln verarbeiten kann. Gemeinsam mit einer „Regenerativen Landwirtschaft“, die auf organische statt synthetische Düngung, auf eine Fruchtfolge, die Biodiversität fördert, sowie auf Bodendeckung und Verwurzelung setzt, sind all das wirksame Maßnahmen.

 

Die Zukunft von Bio


Zurück zum Ursprung oder vorwärts mit neuen Technologien?

Die Transformation macht auch vor den Bio-Produzierenden nicht Halt: Längst ist Bio aus seinem Nischendasein herausgetreten und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Genau damit aber scheint Bio an seine Grenzen zu stoßen: Wohin will, soll und kann sich Bio entwickeln? Sind die Akteure der Branche bereit, sich Neuem zu öffnen, z. B. einer innovativen Kombination aus traditionellem Wissen und Hightech? Denn laut Rützler braucht es einen Tabubruch, der ökologische Produktion und technologische Innovationen vereint.

 

Die 11. Ausgabe des Food Reports steht mit all diesen Themen unter dem Motto „Strukturwandel des Essens“ und beleuchtet spannende Themen, die alle einer Transformation bedürfen – oder schon mitten drin sind.

Food Report 2024. Hanni Rützler. 175,00 Euro. Hg.: Zukunftsinstitut GmbH in Kooperation mit der Lebensmittelzeitung sowie FOOD SERVICE und gv-praxis. Bei www.zukunftsinstitut.de finden Sie mehr Informationen

 

Rezension von Nicole Isermann, Juli 2024

 

Copyright: Header pixabay, Teaserbild: Koch - alphaspirit - Fotolia

 

 

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